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Fachartikel Nr. 3: Bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV)

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Aus der Nische zum Massenmarkt

 

Bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) besetzt in der Architektur bislang nur eine Nische. Für das Erreichen der Klimaziele bis 2045 und eine künftige Unabhängigkeit von Importen fossiler Energien und Brennstoffe wird die nachhaltige Stromerzeugung über BIPV zu einem möglichen Massenmarkt. Aktuelle Untersuchungen belegen, dass die in Deutschland verfügbaren Gebäudeflächen den Photovoltaikbedarf in einem regenerativen Energiesystem bei weitem übersteigen und eine installierbare Photovoltaikleistung von bis zu 1.000 Gigawatt peak (560 GWp Dächer; 440 GWp Fassaden) erbringen könnten.[[1]] Für die erfolgreiche Energiewende in Deutschland würden, je nach Randbedingungen, 150 bis 300 Gigawatt peak bzw. Flächen von 750 bis 1.500 Quadratkilometer genügen. Größtes Potenzial bieten Gebäudehüllen, die ohnehin weitreichend modernisiert werden, hier reduzieren sich die Mehrkosten für Photovoltaik deutlich und es werden Amortisationszeiten von nur zehn Jahren realistisch. Im Neubau lassen sich bei früher Planung grundsätzlich geringe Zusatzkosten für BIPV realisieren, da konventionelle Baustoffe eingespart werden. 

Deutschland steuert bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität an. Schneller könnte es im Energiesektor vorangehen, denn die Transformationskosten fallen hier geringer aus als in anderen Sektoren, wie zum Beispiel der Landwirtschaft. Erneuerbare Energien werden zur wichtigsten Quelle für den wachsenden „Stromhunger“, auch im sich wandelnden Wärme- und Mobilitätssektor.

Die Stromerzeugung könnte künftig, unter anderem wegen vergleichsweiser geringer Erzeugungskosten, überwiegend über Windenergie und Photovoltaik erfolgen. Nach einem Modellierungsversuch des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE sollte die Anlagenleistung für Photovoltaik auf etwa 200 bis 300 GW anwachsen. Installiert sind derzeit rund 55 GW, hauptsächlich über Anlagen auf Dächern und in Freiflächen. Die Fläche der installierten BIPV war mit 65.800 Quadratmeter (13 MWp) in 2020 (mit jährlichen Änderungsraten von ca. 5 Prozent) noch gering, erwartet wird jedoch massives Wachstum, denn die erfolgreiche Energiewende benötigt insgesamt rund 400 bis 500 GWp, davon rund 150 bis 300 GWp in der Gebäudehülle. Das Delta könnte über PV-Anlagen in Freiflächen erzeugt werden, mit Landwirtschaft kombiniert, auf Gewässern errichtet, auf Parkplätzen, Verkehrswegen, in Fahrzeugen installiert oder auf renaturierten Biotop- und Moor-flächen.

Das weitaus größte Wachstumspotenzial bietet die Gebäude-hülle mit ihren großen nutzbaren Flächen, die, mit Photovoltaik ausgestattet, vor allem die Energieversorgung in Städten nachhaltiger gestalten würden, denn solare Gebäudehüllen senken die CO2-Emissionen des Gebäudesektors erheblich, vermeiden Netzausbaukosten und erbringen nachhaltige lokale Wertschöpfung. Jeder Neubau, jede Sanierung mit BIPV würde zur Energiewende beitragen und gleichzeitig Einnahmen für die Gebäudebetreiber erzielen. Jährlich werden in Deutschland rund 107 Millionen Quadratmeter Fassade und 63 Millionen Quadratmeter Steildächer zugebaut. [[2]] Würden diese Flächen genutzt, könnte die Leistung jährlich um bis zu 33 GWp wachsen. Ein Zwischenziel für das Jahr 2030 ist durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits definiert, nämlich ein Anteil Erneuerbarer Energien von 65 Prozent des Brutto-Stromverbrauchs. Zur Erreichung dieses Ziels ist ein kontinuierlicher jährlicher PV-Zubau von 5 bis 10 GWp notwendig, abhängig von der Entwicklung des Strombedarfs und des Ausbaus der Windkraft.

Integration in die digitale Bauplanung gefordert

Ein wichtiger Baustein für die Erschließung des Marktes ist die Integration von BIPV-Produkten in die Planung der Bauprozesse, vor allem über digitale Werkzeuge wie BIM (Building Information Modelling). Damit die Integration von PV-Funktionen in Bauprodukte zur Selbstverständlichkeit wird, sind jedoch – und hier ist die Politik gefragt – Vereinfachungen in Bauproduktenrecht und technischen Bestimmungen sowie Anreize durch fiskalische und ordnungspolitische Instrumente notwendig. Viele Akteure der Gesellschaft sollten zudem deutliche Signale an die Politik senden: Verbraucher können bei Strom und Wärme, Mobilität und im Konsum energieeffizienter Produkte und Erneuerbaren Energien bevorzugen und massiv Nachfrage generieren. Anleger finden in der Energiewende langfristig attraktive Investments. Entscheider sollten prüfen, welche Maßnahmen sich nachhaltig rechnen und die ökologische Transformation fördern. Länder, Städte und Gemeinden sollten nachhaltige Projekte fördern und eigene Investitionen entsprechend ausrichten. Schlussendlich sollten Unternehmen ermutigt werden, die PV-Produktion in Deutschland erneut zu forcieren, um Abhängigkeiten zu vermeiden und das „fossile“ Zeitalter hinter sich zu lassen, in dem jährlich dreistellige Milliardenbeträge für Öl- und Gasimporte an Kartelle und autoritäre Regimes gezahlt werden. Rohstoffe für die PV-Produktion sind verfügbar und solare Technologien wurden in Deutschland maßgeblich mitentwickelt, bevor falsche politische Weichenstellungen zur Verlagerung entsprechender Arbeitsplätze in den asiatischen Raum führten. Eine hiesige PV-Produktion würde langfristige Versorgungssicherheit und die Einhaltung hoher Öko- und Qualitätsstandards ermöglichen – ein Wettbewerbsvorteil.

Wichtig für den Ausbau wäre auch, die realen Kosten unter-schiedlicher Arten der Stromerzeugung transparenter darzustellen: Noch immer hängt Photovoltaik der Ruf an, eine relativ teure Technik zur Stromerzeugung zu sein – rund 300 Euro pro Quadratmeter als Systemvollkosten für kleinere bis mittlere Aufdachsysteme sind realistisch, integrierte Anlagen sind et-was kostspieliger.

Wird jedoch eine konventionelle Fassade ersetzt oder im Neubau eine Solarfassade geplant, sinken die Kosten. Größere Aufdach- oder Freiflächenanlagen sind auch ohne Internalisierung der externen Kosten wirtschaftlich – ihre Stromentstehungs-Vollkosten liegen inzwischen bei 5-10 ct/kWh, vergleichbar mit den Kosten von Gaskraftwerken. Bei genauerem Blick wird zudem klar, dass ein Kostenvergleich mit der fossilen oder nuklearen Stromerzeugung derzeit hinkt – denn deren externe Kosten und Risiken bezüglich der verursachten Umwelt-, Klima und Gesundheitsschäden bleiben bei der Preisbildung bislang weitgehend unberücksichtigt, was eine versteckte Subventionierung der herkömmlichen Energieträger darstellt. Die Grenzkosten decken keineswegs die Neutralisierung zum Beispiel strahlender Abfälle oder die Treibhausgasemissionen (CO2, NOX, SOX etc.) ab – diese „versteckten“ Kosten trägt derzeit die Allgemeinheit. Noch essentieller ist jedoch der Blick auf die größte Herausforderung, die CO2-Neutralität: Die Stromerzeugung über Photovoltaik reduziert die Freisetzung von CO2 erheblich und wäre eine hochwirk-same Bremse für den Treibhauseffekt.

Volatiler Strom aus Erneuerbaren Energien gefordert

Der Strombedarf für Wärme (Gebäude, Industrie), Mobilität und als Ausgangsstoff für chemische Prozesse wird dauerhaft und langfristig steigen, das zeichnet sich beispielsweise in der Glasindustrie ab: Der BV Glas rechnet mit einer Umstellung erdgasbetriebener Floatglasanlagen auf Strom- und Hybrid-Technologien mit „grünem“ Wasserstoff bis 2045. Andernfalls wäre die international beschlossene CO2-Neutralität nicht realisierbar. Die elektrolytische Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbarem Strom nimmt hier eine zentrale Stellung ein. Auch die Elektromobilität führt zu einem wachsenden Strom-hunger, der jedoch durch erneuerbare Stromerzeugung abgedeckt werden kann, denn sie gleicht sich über unterschiedliche saisonale, geografische und technologische Faktoren selbst aus. So können beispielsweise Wetterabhängigkeiten bei Windenergie und Photovoltaik über europäische Ländergrenzen hinweg ausgeglichen werden.

Der steigende Grad an Dezentralität sowie die Koordination volatiler Stromerzeugung und steuerbarer Verbräuche erfordert insbesondere in Deutschland einen starken Ausbau der Digitalisierung und, idealerweise, eine harmonisierte europäische Entwicklung.

Weitere Anreize für den Einsatz von BIPV liegen auf der Hand: Moderne Module erlauben nicht nur die solare Stromerzeugung, sondern integrieren sich attraktiv in die Fassade (wichtig für die Verbraucherakzeptanz), verbessern die Wärmedämmung sowie den Wind- und Wetterschutz und bieten, in Glasfassaden integriert, Abschattung. Auf den Markt gelangen derzeit erste transparente und gestaltete BIPV-Produkte, die sich in der Fassade ästhetisch mit Sonnenschutzverglasungen o-der anderen Materialien kombinieren lassen. Eine große Chance für europäische Unternehmen sehen die Forscher des Fraunhofer ISE in industriell hergestellten, aber dennoch individualisierbaren BIPV-Modulen – sie ermöglichen eine nachhaltige Wertschöpfung und machen es Architekten und Fassadenplanern möglich, passende Produkte für beliebige Projekte zu finden. Das Institut selbst entwickelte mit „Morpho-Color©“ Module, die mit hocheffizienten Farbbeschichtungen versehen sind (maximal 10 Prozent Leistungseinbuße im Ver-gleich zu einer vollständig transparenten Frontabdeckung), mit variablen Zell- und Modulformaten und ästhetischen Optionen beim Design. Sie ermöglichen solare Gebäudehüllen, teil-transparent mit sichtbaren Silicium-Solarzellen oder opak in verschiedenen Farben.

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