VSG im Trend: Wie Forscher jetzt das Recycling schaffen

Das Thema „Sicherheitsglas“ erscheint relevant: Viele Glashersteller stärken ihre VSG-Produktion, entwickeln dünnere Verbunde für die Einsparung von Rohstoffen, Energie und Gewicht in Fassaden oder stoßen in höchste Sicherheitsklassen vor. Bulletproof, Explosionsschutz etc. scheinen in schwer einschätzbaren, unsteten Zeiten mehr Interesse zu erzielen, insbesondere für systemrelevante Infrastruktur. Ob das „Gefühl“ einer erhöhten Aktivität beim Thema Sicherheitsglas angemessen ist und an was die Forschung im Bereich Sicherheitsglas arbeitet, hat der Autor im Auftrag der glasstec bei Steffen Schäfer, Technischer Leiter beim Bundesverband Flachglas (BF) und bei Dr.-Ing. Miriam Schuster, Leiterin der Forschungsgruppe Glas und Polymere am Institut für Statik und Konstruktion der Technischen Universität Darmstadt nachgefragt.

Für den Bundesverband Flachglas e.V. (BF) untersucht die B+L Marktdaten GmbH schon seit 20 Jahren regelmäßig die Märkte für Fenster und Fassaden in allen für deutsche Unternehmen relevanten Weltmärkten. Dazu gehört auch die Beobachtung der Produktionsmengen und Absätze der unterschiedlichen „Sorten“ Floatglas, beschichtetes Glas, Einscheibensicherheitsglas, Verbundsicherheitsglas und Isolierglas. Nicht überraschend ist, dass sich die anhaltend geringe Bauaktivität auch negativ auf den Absatz der Glasbranche auswirkt. Die schwächelnde Baukonjunktur erscheint dabei nicht als singuläres Problem, sondern als das Ergebnis einer wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Krise: Zinssteigerungen und erhöhte Kreditkosten, hohe Baukosten durch steigende Preise für Energie, Baumaterialien, Transport und Handwerkerleistungen – erst durch Pandemie-bedingte Lieferengpässe, dann durch die Inflation. Gleichzeitig mangelt es an Fachkräften, sodass sich Bauzeiten verlängern, die Kosten steigen und die Planbarkeit leidet. Hinzu kommen eine erhöhte Unsicherheit durch schwer einschätzbare politische und geopolitische Entwicklungen, die zu geringe staatliche Förderung und das vielbeschriebene Grundproblem strenger deutscher Bauvorschriften und entsprechend langer Genehmigungsprozesse. Und schlussendlich ist da der demografische und gesellschaftliche Wandel, mit rückläufiger Bautätigkeit in schrumpfenden Regionen und steigenden Anforderungen in wachsenden Ballungsräumen.

Der Bundesverband Flachglas gibt Einblick in die neuen Zahlen der B+L zu den Marktdaten für Fenster und Fassaden: „Während alle Glassorten seit 2022 von Absatzrückgängen betroffen sind, stagniert die Sorte Verbundsicherheitsglas auf relativ hohem Niveau, für 2025 wird sogar ein leichtes Absatzplus zum Vorjahr prognostiziert. Dieses resultiert unter anderem aus einem steigenden Interesse an Sicherheitsglasanwendungen und der sehr aktiven Arbeit an der DIN 18008 in den letzten Jahren. Erfreulicherweise werden am Markt VSG-Produkte bevorzugt angefragt, insbesondere im Vergleich zu Basisgläsern“, erläutert Schäfer. Zu den großen Herausforderungen der Flachglasindustrie – aber gleichzeitig zu ihren Chancen – zählt er auch beim Sicherheitsglas die steigenden Anforderungen für mehr Wirtschaftlichkeit und an die Nachhaltigkeit: „Hier bewegt sich in der Glasbranche schon einiges – die Hersteller nutzen verstärkt erneuerbare Energie, sparen Ressourcen, entwickeln Produkte mit geringerem CO2-Footprint und effektive Wege, um ihre Kreisläufe zu schließen. Sie wissen, wenn sie hier investieren, schaffen sie sich für die Zukunft eine gute Wettbewerbsposition im globalen Wettbewerb.“

In Arbeit: Verbundsicherheitsglas recyceln 

Nachhaltigkeit ist inzwischen auch wirtschaftlich ein Wettbewerbsvorteil – hier jedoch hat Verbundsicherheitsglas bislang eine schwierige Position, denn es kann aufgrund der Folienverbindung schwer recycelt werden. Hier sind Lösungen in Sichtweite, wie Dr.-Ing. Miriam Schuster, Leiterin der Forschungsgruppe Glas und Polymere am Institut für Statik und Konstruktion der Technischen Universität Darmstadt berichtet: „Wir erforschen neue Wege zur sortenreinen Trennung und Wiederverwertung von Verbundsicherheitsgläsern, denn diese sind heute ein integraler Bestandteil moderner Architektur, im Innenraum und der Fassade. Während das Glas theoretisch vollständig recycelbar ist und PVB als thermoplastisches Material grundsätzlich auch wiederverwertet werden kann, sieht die Realität ernüchternd aus: Der Großteil alter VSG-Elemente wird zerkleinert und die Glasscherben in andere Industrien überführt, zum Beispiel zur Produktion von Glaswolle oder Hohlglas. Der Großteil der PVB-Reste wird deponiert oder verbrannt. Die Trennung von Glas und Zwischenschicht stellt bislang das größte Hindernis für einen echten Recycling- oder Re-Use-Kreislauf dar.“

Ein Forscherteam um Dr.-Ing. Miriam Schuster und Prof. Dr. Johannes Kuntsche vom Lehrstuhl Konstruktiver Ingenieurbau der Hochschule Darmstadt (h_da) hat sich dieser Herausforderung gestellt. Auf der Konferenz „CircuClarity One“, die 2024 auf der glasstec stattfand, haben sie Voruntersuchungen zu einem innovativen Verfahren vorgestellt, mit dem VSG ohne Glasbruch und ohne PVB-Kontamination sortenrein getrennt werden kann. Ziel ist es, die Wiederverwendung (Re-Use) oder das Closed-Loop-Recycling der Glasplatten als auch das Recycling der PVB-Folie zu ermöglichen.

Ihr Trennverfahren basiert auf einem vierstufigen Prozess:

  1. Erwärmen: Die Glasproben werden auf ca. 170–220 °C erhitzt, bis sich der sogenannte „Daisy-Effekt“ (Bläschenbildung in der Folie) vollständig ausgebildet hat.
  2. Mechanisches Trennen: Die Verbunde werden in einer händisch geführten Vorrichtung scherbelastet und auseinandergezogen. Entscheidend: Es kommt zu einer kohäsiven Trennung der Zwischenschicht, ohne das Glas zu beschädigen.
  3. Wasserbehandlung: Eine Wärmebehandlung in Wasser führt zu einer verbesserten Abtrennung.
  4. Peeling: Abschließend wird die verbleibende Zwischenschicht mechanisch abgezogen.

Untersucht wurden frisch hergestellte Proben verschiedener Aufbauarten, unterschiedlicher PVB-Haftungsgrade (hoch, mittel), unterschiedlichen Feuchtegehalts der Zwischenschicht (0,32–0,66 %), unterschiedlicher Laminationsverfahren – und natürlich gealterte Proben. Zudem wurden unterschiedliche Temperaturen für Schritt 1 untersucht. Das Ergebnis: Mit tieferer Temperatur steigt die Zeit, bis der Daisy-Effekt vollkommen ausgebildet ist. Die Haftung des PVB beeinflusst maßgeblich den Trennprozess beim Peeling in Schritt vier, jedoch nicht signifikant das mechanische Trennen im zweiten Schritt.

Die erfolgreiche Trennung von VSG ermöglicht das Closed-Loop-Recycling als Scherben in Floatglasanlagen und sogar die Wiederverwendung, beispielsweise als Glasplatten in Sekundäranwendungen. Für eine erfolgreiche, praxisnahe und industrielle Umsetzung sieht Schuster aber weitere Schritte erforderlich, wie eine vertiefte Analyse des Daisy-Effektes bei der Erwärmung von VSG, die industrielle Skalierung des Heizverfahrens oder das automatisierte Peeling, die Optimierung der Prozessparameter und eine Bewertung der Materialqualität nach Trennung. Ein entsprechender Forschungsvorschlag zur Weiterentwicklung wurde bereits eingereicht.

Die glasstec 2026 wird vom 20. bis 23. Oktober 2026 in Düsseldorf erneut die zentrale und impulsgebende Leitmesse für den Austausch über Zukunftsthemen der Glasbranche. Die Messe bringt mit der Sonderschau „glass technology live“ und der angeschlossenen „glasstec conference“ Forschung, Hersteller und Anwender zusammen, die die Zukunft mitgestalten wollen. Besucher können sich in diesem Rahmen auch auf eine Folgeveranstaltung zum Thema Zirkularität freuen: die „CircuClarity Two“.

30.07.2025, glasstec

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